Resilienz – die psychische Widerstandsfähigkeit stärken

Schule kann für SchülerInnen, Eltern sowie für PädagogInnen kräfteraubend sein und mitunter auch zum psychischen Stress werden. Die Stärkung der so genannten Resilienz, der psychischen Widerstandsfähigkeit, ist daher ein wichtiger Faktor, wenn es um den schulischen Alltag geht.

Eine Person, die sich das zur Lebensaufgabe gemacht hat, ist Frau Simone Kriebs. Sie ist selbsternannte „Nachwuchsversteherin“ und entwarf aufgrund persönlicher Erfahrungen Ideen zur Stärkung der eigenen Resilienz im Alltag. Wir haben ihre Ideen und Tipps in einer 7-teiligen Videoserie aufgezeichnet und vorweg mit Frau Kriebs ein persönliches Interview geführt.

Im schule.at Interview spricht Simone Kriebs vom WITA Institut Herne über ihre eigene Resilienz und verrät uns, was in ihrem Glückstagebuch steht.


 

Simone Kriebs ist Diplom-Pädagogin, hat 2 Kinder und ist Gründerin des WITA Instituts für Weiterbildung, Interaktion, Therapie und Ausbildung. Die gelernte Hypnosetherapeutin und Heilpraktikerin der Psychotherapie ist spezialisiert auf Familien-und Jugendthemen und gibt Fortbildungen für Lehrer und Pädagogen.


Wie sind Sie zum Thema Resilienz gekommen? Was ist die Entstehungsgeschichte der Nachwuchsversteherin?

Das Wort „Resilienz” ist mir das erste Mal mit 26 Jahren während meines Studiums in einer Vorlesung an der Universität begegnet. Während des Vortrages hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, es wird dort gerade von mir gesprochen. Mit 25 Jahren war mein Lebenslauf schon so lang wie eine Tapetenrolle. Ich stamme selbst aus einer von Krisen belasteten Familie (Scheidungskind, Alkoholabhängigkeit eines Elternteils, Armut u. a.), hatte es von der Hauptschule auf das Gymnasium geschafft und trotz herausfordernden Umständen irgendwann mein Studium begonnen. Das hat meine Neugierde für das Thema Resilienz entfacht. Ich wollte mehr darüber wissen, wie man Widerstandsfähigkeit und Selbstwirksamkeit bei anderen Menschen fördern kann. Der Titel „Die Nachwuchsversteherin” wurde mir irgendwann einmal von Teilnehmern meiner Seminare gegeben, weil ich besonderen Wert darauf lege, durch die Augen der Kinder zu schauen. Wir waren selbst alle Kinder und müssen uns nur erinnern, was wir damals gebraucht hätten, was uns verletzt hat bzw. hätte. Für mich ist das Verhalten von Kindern ein Ausdruck dafür, wie es ihnen geht. Die Kunst liegt darin, das Verhalten zu interpretieren und entsprechend zu agieren.

Würden Sie sich selbst als Person mit starker Resilienz, also als besonders widerstandsfähig bezeichnen?

Ja – allerdings war mir das, wie oben erwähnt, lange Zeit gar nicht bewusst. Man ist, wie man ist, und für einen selbst ist es völlig selbstverständlich. Doch wurde mir oft von Menschen, die mich in den herausfordernden Zeiten begleitet haben, gespiegelt, wie stolz ich auf mich sein könne und wie beeindruckt sie von mir seien. Erst im Vergleich habe ich gemerkt, dass ich ein sehr optimistischer Mensch bin – mit einem hohen Maß an Vertrauen, dass sich immer eine Lösung finden wird.

Was ist das erklärte Ziel von Simone Kriebs, der Nachwuchsversteherin?

Ich möchte Eltern und Lehrern mehr Sicherheit im Umgang mit jungen Menschen vermitteln. So, dass die Erwachsenen eine entspannte Führungsrolle im Erziehungsprozess einnehmen und zugleich jungen Menschen altersgemäß ausreichend Raum zur Entwicklung und Vertrauen in ihre eigene Persönlichkeit geben. Ich habe oft den Eindruck, dass eine große Verunsicherung herrscht und Eltern und Lehrer Angst haben, Fehler zu machen – und sich letztlich auch oft scheuen, die Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen. Das verunsichert und überfordert viele junge Menschen, was sich durch auffälliges Verhalten oder andere Symptome zeigt. Wir brauchen wieder mehr Zugang zu unseren eigenen Ressourcen und Fähigkeiten, um jungen Menschen starke Vorbilder zu sein. Dafür wäre es toll, wenn Eltern sich mit der Bearbeitung ihrer eigenen Verletzungen beschäftigen, anstatt alles auf ihr Kind zu projizieren. In Schulen würde ich mir eine fundierte Weiterbildung für Lehrkräfte wünschen, in denen die Lehrerpersönlichkeit gestärkt und Grundlagen der Persönlichkeitsentwicklung vermittelt werden. Junge Menschen sollten schon in der Schule einen Umgang mit sich selbst, ihren Gefühlen und Gedanken lernen und sich dafür an gestärkten Lehrerpersönlichkeiten orientieren können.

Ab wann sollte man Ihre Tipps anwenden? Haben Sie sie bei sich selbst angewendet? Und wie oft machen Sie davon Gebrauch?

Im Grunde spreche ich gar nicht gerne von Tipps. Ich berichte stets von eigenen Erlebnissen und Erfahrungen. Sei es mit meinen eigenen Kindern oder im Bereich Schule. Es geht nicht darum, alles richtig zu machen. Das ist erstens gar nicht möglich und würde auch nur den Druck erhöhen. Es geht bei mir immer wieder um Zwischenmenschlichkeit. Wer hat welchen Verantwortungsbereich? Übernehme ich die volle Verantwortung für meine Gefühle, Gedanken, Entscheidungen und Handlungen? Wo mische ich mich als Erwachsener ein, obwohl es in der Entscheidung des Kindes liegt? Junge Menschen wollen keine perfekten Erwachsenen, sie wollen Menschen, die sich für sie interessieren, die an sie glauben, die sie lieben, so wie sie sind, und zugleich eine eigene Meinung haben und Orientierung geben. Dafür ist es wichtig, sich mit sich selbst und seinen eigenen unbewussten Prozessen zu beschäftigen.


Wir brauchen wieder mehr Zugang zu unseren eigenen Ressourcen und Fähigkeiten, um jungen Menschen starke Vorbilder zu sein.

Sie sprechen in Ihrem Video (Teil 7) über Glück und Dankbarkeit, unter anderem empfehlen Sie darin, ein Glückstagebuch anzulegen. Was steht in Ihrem Glückstagebuch?

Oh, das ist eine schöne Frage. Als ich mit dem Glückstagebuch begonnen habe, fiel es mir zunächst recht schwer, kleine konkrete Dinge zu benennen. Daher standen zunächst so allgemeine Sachen darin wie: „Ich bin glücklich über meine Familie und meine Gesundheit, dass ich in einem Land lebe, in dem Frieden herrscht, dass ich genug zu essen habe usw.“

Richtig interessant wurde es nach etwa zwei Wochen – mir fiel plötzlich auf, dass ich glücklich bin, wenn mir der Wind durch die Haare weht, wenn ich auf dem Weg zur Arbeit die rote Sonne am Horizont sehe, wenn man mir ein Lächeln schenkt, wenn ich verliebte Paare auf der Straße sehe. Ich könnte jetzt alles mögliche an winzigen Momenten nennen, die im Alltag sonst untergehen, die ich jetzt aber bewusst wahrnehme und genieße.

Gibt es einen besonderen Glücksmoment aus ihrem Leben, den sie dort aufbewahren?

Natürlich gibt es auch die großen goldenen Momente, wie die Geburt meiner Kinder. Mutter zu werden, war für mich selbst das größte Wunder in meinem Leben. Aus sich heraus Leben zu schenken, ist schon wahnsinnig faszinierend gewesen. Doch habe ich die kleinen Glücksmomente schätzen gelernt, denn wenn wir nur auf die großen Momente warten, verpassen wir so viele berührende Augenblicke.


Simone Kriebs praktische Tipps , wie sich Resilienz trainieren lässt, stehen hier als 7-teilige Videoserie zur Verfügung!